Ich arbeite seit zwei Monaten in einem Call-Center für Markt- und Meinungsforschung und was soll ich sagen? Natürlich wird man am Telefon nicht behandelt, wie ein Arzt oder Anwalt, wobei man sicherlich auch nicht von denen gerne angerufen wird. Man ist eher der Störenfried, der versucht, zu den unmöglichsten Zeiten, Leuten, die eh keine haben, mit den unmöglichsten Fragen zu nerven. So waren zumindest meine Vorstellungen und Erwartungen, die sich bis jetzt nicht ganz bestätigt haben. Die Menschen sind halt verschieden und natürlich gibt es alle möglichen Reaktionen auf die Frage, ob Sie so freundlich wären, mir ein paar Fragen zu beantworten?
Eine Antwort, die relativ häufig vorkommt, ist das Klacken des Hörers, das rapide auf meine perfekt einstudierte und mich im Schlaf verfolgende Anmoderation folgt. Was nicht so häufig vorkommt sind allerlei kuriose Situationen, die teilweise dadurch begründet sind, dass die Nummern, die angerufen werden zufällig ausgewürfelt werden. Da kann es schon vorkommen, dass man bei einem Fax- oder Modemanschluss herauskommt und das Gefühl hat, akustisch geblitzdingst geworden zu sein. Die meisten Leute, die man erreicht, haben gerade etwas besseres zu tun, was ich sehr gut verstehen kann oder sind einfach zu alt (was ich natürlich auch verstehen kann bzw. muss). So kann es schon einmal vorkommen, dass mich eine Grabesstimme anhaucht, mit den Worten: „Da brauchen Sie mich gar nicht mehr befragen. Ich bin schon bald... schon bald...“ In der darauffolgenden zu langen Pause frage ich mich, wie und ob überhaupt der Satz wohl weitergeht. Schon bald ... tot? Aber nein, glück gehabt, nach einem kurzen Röcheln endet er mit „... achtzig.“
Es gibt natürlich gute, ja sogar lebenswichtige Gründe, auf ein Interview zu verzichten. So meldete sich unlängst ein Mann mit den Worten: „Ich bin so müde, ich bekomme gerade ein Kind.“ Nun, diesem evolutionären Durchbruch möchte ich nicht im Wege stehen. Eine ganz andere Antwort gab mir eine junge Frau: „Junger Mann, ich hänge gerade mit dem halben Arsch aus dem Fenster.“ Auch hier möchte ich einem möglichen Durchbruch nicht im Wege stehen. Man kann hier sehr schön sehen, dass hier ein schnödes Interview zwischen Leben und Tot oder besser Geburt und Fenstersturz entscheiden kann.
Sonntag, 29. November 2009
The Call-Center-Chronicles I
Samstag, 26. September 2009
Die TOAST’sche Autosurprisation
Manchmal überrasche ich mich selbst. Das kommt nicht unerwartet, sondern mit Absicht und zwar folgendermaßen: Ich lege mich in mein Bett und schließe die Augen. Dann stelle ich mir vor, ich läge woanders und das mache ich solange bis ich fest davon überzeugt bin. Wenn ich nun die Augen öffne, habe ich ein großes Orientierungsproblem und bin total verwirrt. Ich kann das allen empfehlen, die sich selbst von Zeit zu Zeit vom Alltag lösen möchten. Mir fehlt nur noch ein Name für diese Methode. Am besten wäre eine Kombination aus Selbst und Überraschung. Autosurprisation hört sich erstmal ungewohnt an, sollte aber dafür verwendet werden bis mir etwas besseres einfällt. Obwohl da eigentlich noch ein Name fehlt. Ich erinnere mich da an die Namen aus den Tafelwerken. Wer kennt nicht das FICK’sche Gesetz? Die wenigsten wissen, was es beinhaltet, aber der Namen hat schon viele Schulkinder amüsiert. Und darum geht es doch vor allem: Ruhm, Ehre und Unsterblichkeit, wenn auch nur als Verewigung im Tafelwerk. Deshalb rufe ich heraus: TOAST’sche Autosurprisation! Ich sehe es schon in den und Lexika der Welt vor mir.
“Die TOAST’sche Autosurprisation bezeichnet einen nur durch Imagination, d.h. ohne Hilfsmittel, selbst herbeigeführten Zustand der temporären Orientierungslosigkeit bei vollem Bewusstsein, wobei sich der TOAST’sche Aotosurprisator mit geschlossenen Augen in zum Boden paralleler Position befindet.”
Donnerstag, 27. August 2009
Ach Hans
Montag, 29. Juni 2009
Spiel des Staubes
- Wie sie sehen konnte ich nichts dafür. Ich war sozusagen Opfer der Umstände. Naja und des Klimas natürlich.
- Meinen Sie nicht, sie machen es sich damit ein bisschen zu einfach? Welche Umstände denn? Und das Wetter? Ich weiß selbst, dass es in letzter Zeit ziemlich heiß ist, aber das, was Ihnen passiert ist geht doch gar nicht!
- Ich kann mich nur wiederholen. Der Staubsauger ist kaputt gegangen und dann kam dieses heiße Wetter. Die Zeitungen schrieben “Jahrhunderthitze”. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen aber es war schon sehr warm für die Jahreszeit.
- Ja es war heiß wie in der Wüste. Finden Sie das nicht treffend?
- Ja das trifft es so ziemlich.
- Halten Sie sich für witzig? Ich kann über diesen Blödsinn jedenfalls nicht lachen. Fakt ist, Ihre Nachbarin hat sie gestern halb verdurstet gefunden. Sie sagte uns, sie wollte sich nur ein Ei und etwas Zucker von Ihnen leihen. Wie konnte es soweit kommen?
- Ich weiß nicht, vielleicht hat sie es beim Einkaufen vergessen.
Ich meine nicht den Einkauf, ich meine Ihren Zustand! Wie können sie in Ihrer eigenen Wohnung fast verdursten? Mal abgesehen davon, wie es dort drinnen bei Ihnen aussah!
- Wie ich schon sagte. Mein Staubsauger ging vor einiger Zeit kaputt.
- Ich verstehe das nicht. Warum reden Sie ständig von Ihrem Staubsauger?
- Vor ungefähr zehn Tagen ging er kaputt. Genau zu dieser Zeit fing es an, so warm zu werden.
- Das erklärt noch nicht den Zustand Ihrer Wohnung. Wir haben kaum die Türen aufbekommen!
- Jedenfalls hat sich seitdem der Staub angesammelt. Die Hitze schien dies noch zu verstärken. Ich war wie gelähmt und habe mich dem Spiel des Staubes nicht entziehen können. Können Sie mir folgen?
- Nein, aber machen Sie weiter.
- Als sich immer mehr Staub angesammelt hat, ist mir etwas aufgefallen. Das war gar kein Staub, sondern eher ganz feiner Sand. Leider habe ich das erst erkannt, als es zu spät war.
- Ich verstehe kein Wort.
- Ich verstehe das auch nicht. Auf einmal merkte ich, wie die ganze Wohnung bereits mit einem Film aus feinem Sand überzogen war. Der Sand wurde immer mehr, bis die Zimmer einer Wüstenlandschaft glichen.
- Ich glaube das nicht. Selbst wenn es so gewesen sein sollte, warum sind Sie nicht einfach aus ihrer Wohnung geflohen? Wäre ihre Nachbarin nicht zufällig zur Stelle gewesen, wären Sie jetzt höchstwahrscheinlich tot, ist ihnen das klar?
- Haben Sie schon einmal versucht, aus der Wüste zu fliehen? Können Sie sich vorstellen, wie schwer das ist? Und dann noch diese unerträgliche Hitze? Alles hat vor meinen Augen geflimmert! Ich habe es kaum bis zur Haustür geschafft. Waren Sie schon mal 10 Tage in der Wüste? Waren Sie schon mal 10 Tage in der Wüste und haben versucht, zum Horizont zu gelangen?
- Nein. Das war ich noch nicht. Beruhigen Sie sich bitte, ich bin jetzt fertig mit dem Gespräch.
- Warten sie, ich habe noch eine Frage.
- Bitte?
- Wenn wir jetzt fertig sind, könnte ich meine Nachbarin anrufen? Ich bin mir sicher, dass ich noch Eier und Zucker in der Küche habe.
- Nun, leider geht jetzt nicht. Ich werde ihr jedoch eine Nachricht zukommen lassen. Sie kann Sie dann in der regulären Besuchszeit sehen. Bitte folgen sie mir nun in Ihre Einrichtung.
Dienstag, 19. Mai 2009
Singin' in the Rain
Dienstag, 5. Mai 2009
Wie eines Tages ein Storch durch mein Fenster flog
Sonntag, 5. April 2009
zitiert
An allem, was vergeht, willst du dich festklammern, nicht an dem, was im Werden ist, dachte er, während er die verfallene Treppe hinunterhastete. In allem, was kurz davor ist zu verschwinden oder schon verschwunden ist, willst du dich verkriechen. Aber was du berührst, wird weggeweht. Und was dich berührt, kannst du nicht festhalten. Ja, im Zerbröckeln bist du gut, Woedman, sagte Woedman zu sich. Sowohl intransitiv als auch transitiv.
Samstag, 4. April 2009
Seismolyrik
“Hängende Gegenstände schwingen. Erschütterung wie beim Vorbeifahren schwerer Lastwagen oder Gefühl eines Stoßes wie bei einem schweren Ball, der an eine Wand schlägt. Fenster, Geschirr, Türen klappern.” (Berckhemer 1997: 59)
So und nicht anders wird ein Erdbeben der Stufe III auf der MSK-Intensitätsskala beschrieben. Das hat schon fast lyrischen Charakter.
Hängende Gegenstände schwingen…
Erschütterung wie beim Vorbeifahren schwerer Lastwagen.
Oder: Gefühl eines Stoßes wie bei einem schweren Ball, der an eine Wand schlägt.
…
Fenster,
Geschirr,
Türen
klappern.
Einzelschicksal oder doch die Apokalypse? “Gefühl eines Stoßes wie bei einem schweren Ball, der an eine Wand schlägt.” Da kommt man echt ins grübeln, auch so vom Rhythmus her…
Aber die Stufe VI schraubt die Spannungsschraube noch fester in den Kopf:
“Von allen spürbar. Menschen gehen schwankend. Fenster, Geschirr, Glas zerbricht. Nippes, Bücher usw. fallen von den Regalen, Bilder von den Wänden. Möbel bewegen sich oder werden umgeworfen. Risse bei schwachem Verputz und Bauweise D. Kleine Glocken läuten (Kirche, Schule).” (Berckhemer 1997: 60)
Schwach verputzte Häuser voller Nippes, in denen Menschen schwankend umhergehen. Und dann läuten auch noch die Glocken, also die kleinen.
Erdbeben sind kein Spaß und darüber lustig machen sollte man sich auch nicht. Aber diese nüchterne wissenschaftliche Beschreibung hat durchaus seinen Charme.
Quelle: Berckhemer, Hans (1997): Grundlagen der Geophysik. 2. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Dienstag, 24. März 2009
Vom Gurkenglück und nie mehr zweite Klasse
Was haben die sich eigentlich dabei gedacht? Wer die sind? Na die von da oben! Die von Brüssel! Eine ziemlich lange Zeit schon wird die EU wegen diverser Vorschriften für Obst und Gemüse veräppelt. Doch damit soll nun Schluss sein, denn: “Die Europäische Union hat beschlossen, die Normungen für 26 Obst- und Gemüsesorten abzuschaffen.” Ganz besonders hart trifft das die Gurke. Durfte sie bis vor Kurzem nur einen Krümmungsgrad von 10mm pro 10cm Länge haben, kann sie jetzt wachsen wie sie möchte. Dies hat nun wieder verschiedene Folgen. Es liegt auf der Hand, dass nun ehemals verkrummte Gurken mit Model-Maß-Gurken in eine Kiste geschmissen werden, was für die Toleranz innerhalb der Gurkenkiste nur förderlich sein kann. Auf langer Sicht werden sich die Gurken untereinander akzeptieren und aus einer Zweiklassengesellschaft entsteht eine geeinte Gurkencommunity. Eventuell könnte das jedoch zu viel für die Tomaten sein, denn hier bleiben die Richtlinien bestehen, was allerdings eine anderes Thema ist. Gurkenglück hin oder her, es stellt sich die Frage, ob der Mensch dem gewachsen ist. So bot sich letzte Woche bei LIDL folgendes Bild:Wer die Wahl hat, hat die Qual. Man kann auch deutlich erkennen, dass die ehemals übergekrümmte Gurke (links) mit einer Art Folie versucht, ihrer Oberfläche zusätzlichen Glanz zu verleihen. Dies kann allerdings für den Konsumenten eher künstlich rüberkommen. Wofür der Käufer sich im Endeffekt entscheidet, bleibt abzuwarten. Irgendwann wird die EU-Vorschrift vergessen sein und man wird sich an damals erinnern. An das Damals, als die Gurken noch richtige Gurken waren. Gerade wie ne Eins und nicht so krumm und schief wie im Zukunfts-Jetzt.
Freitag, 6. März 2009
Dienstag, 3. März 2009
Arbeitskleidung für Schneemänner
Montag, 2. März 2009
Sonntag, 1. März 2009
Abstellen, was nicht abzustellen geht
Eine Maschine, die für sich selbst arbeitet
Arbeitskraft wird reduziert
Nur ich bin noch da
Um zu schaufeln und zu machen
Dass es rattert und zischt
Gar nicht so groß wie ich denke
Klein und klapprig
Und trotzdem hält sie mich auf trapp
Ich werde sie polieren
Warten
Und der Welt zeigen
Donnerstag, 19. Februar 2009
Was war das denn?
Dienstag, 17. Februar 2009

© R.Arnold/CT
Als ich vor einiger Zeit "The Cocka Hola Company" von Matias Faldbakken gelesen habe, war ich begeistert. Die Geschichte handelt von einer Pornoproduktionsfirma ist höchst amüsant und - wie es sich für die Reihe "skandinavische Misanthropie" gehört, wirklich misanthropisch. Ich habe mich also sehr gefreut, dass Mareike Mikat den Stoff auf die Bühne der Skala gebracht hat. Wie schon bei bei der Adaptation von Palahniuks "Die Kolonie" ist es ihr gelungen, den Kern der gesellschafts- und kulturkritischen Geschichte werkgetreu und sehr kreativ umzusetzen.
Weitere Informationen gibts hier bei der Skala.
"The Cocka Hola Company" - gesehen am 16.02.2008 in der Skala Leipzig.